Themenmonat 07 Ausbildungsförderung

Juli - AUSBILDUNGSFÖRDERUNG

Staatliche Förderung für Studierende und beruflichen Aufstieg

Das Amt für Ausbildungsförderung des Studierendenwerks Kassel unterstützt Studierende sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmer an beruflichen Aufstiegsförderungen. Die Expertinnen und Experten beraten zum Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) und zum Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG).
 

50 Jahre Studierendenwerk, 50 Jahre Ausbildungsförderung, 25 Jahre Aufstiegsfortbildungsförderung

Im Jubiläumsjahr des Studierendenwerks feiert das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) seinen 50. Geburtstag, das Aufstiegs-BAföG für Berufstätige (AFBG) wird 25. Das Förderungs-Team des Studierendenwerks berät zu beiden Themen und bearbeitet BAföG- und AFBG-Anträge. Aber – sind diese beiden stattlichen Fördermöglichkeiten eigentlich noch zeitgemäß? Wer könnte diese Frage besser beantworten, als eine Insiderin. Wir haben bei Abteilungsleiterin Julia Thonfeld nachgefragt.

     

    Hand aufs Herz, Frau Thonfeld - brennen Sie für BAföG und AFBG?
    Ja - das tue ich. Schließlich unterstützen wir mit diesen Angeboten Menschen, die sonst vielleicht nicht studieren, nicht beruflich aufsteigen würden. BAföG und AFBG stehen für mich für soziale Gerechtigkeit und sind enorm wichtig für alle, die unabhängig vom eigenen Geldbeutel und dem der Eltern durch Bildung aufsteigen wollen. 
    Wir bekommen viele Rückmeldungen, dass der Abschluss nur durch die Zahlung von BAföG und AFBG ermöglicht wurde.
    Die Studierenden sagen uns immer wieder, dass sie sehr froh darüber sind, BAföG zu erhalten.
    Es ist also ganz wichtig, dass es diese Finanzierungsmöglichkeiten weiterhin gibt! …

    Wird Ihre Einschätzung denn durch die Antragszahlen belegt?
    Beim AFBG kann ich das so sagen - da gibt es gerade einen kontinuierlichen Anstieg, beim BAföG sind die Antragszahlen vor einigen Jahren gesunken und bleiben bei uns seitdem in etwa konstant.  In diesem Jahr ist die Tendenz in beiden Bereichen steigend.

    Also, dann kann alles so bleiben, wie es ist?
    Nein, angesichts der hohen Studierendenzahlen könnten die BAföG-Antragszahlen und auch die Anzahl derer, die BAföG bekommen, insgesamt höher sein.
    Die Studierenden, die BAföG bekommen, sind froh darüber. Aber es gibt natürlich noch viel mehr Studierende, die auch aufs BAföG angewiesen wären, aber keine Förderung bekommen. Daher gibt es noch viele Verbesserungsmöglichkeiten:
    Die Formulare, die ausgefüllt werden müssen, sind machbar, aber nicht ohne. Viele Studierende haben Respekt davor, die notwendigen Unterlagen – auch von den Eltern – zusammenzusuchen. Im BAföG und auch im AFBG wurde nun aber reagiert und bei den Wiederholungsanträgen gibt es nun ein verkürztes Antragsformular. Eine Verschlankung der Erstanträge ist aber wohl erst mit Änderung der gesetzlichen Grundlagen möglich.
    Das BAföG muss auch unbedingt inhaltlich an die Lebenswelt der Studierenden angepasst werden. So kann zum Beispiel ein Teilzeitstudium nicht gefördert werden. Und die Bedarfssätze und Freibeträge müssen kontinuierlich erhöht werden. Hier ist die Politik gefragt. Sie muss an den Stellschrauben drehen, damit Chancengleichheit als Ziel für das BAföG auch wirklich erreicht werden kann und alle, die BAföG brauchen, es auch bekommen können.
    Das Bundesverwaltungsgericht hat übrigens auch kürzlich entschieden, dass der BAföG-Bedarfssatz möglicherweise verfassungswidrig ist. Die Entscheidung darüber muss nun das Bundesverfassungsgericht treffen.

    Also - je nachdem, wie die Politik eingreift, steigen und sinken die Antragszahlen?
    Ja, seit eh und je brauchen Studierende verlässliche Studienfinanzierung - ob sie sie bekommen liegt an der Politik. Wir haben in den vergangenen fünf Jahrzehnten ja beobachten können, wie die Umstellungen von Vollzuschuss über Volldarlehen auf Teildarlehen sofort durchgeschlagen sind auf die Antragszahlen. Schon mein erster Vorgänger hat sich in den Siebzigern mit viel Leidenschaft dafür eingesetzt, das BAföG wirklich bedarfsgerecht zu gestalten. Er war so wie ich absolut davon überzeugt, dass BAföG gebraucht wird.

    Was raten Sie denn Studierenden, die nicht sicher sind, ob sie einen BAföG-Antrag stellen sollen?
    Es lohnt sich immer, einen Antrag zu stellen! Selbst dann, wenn auf den ersten Blick vielleicht kein Anspruch gegeben ist. Unser Team ist hochmotiviert und versucht immer alle Wege auszuschöpfen, die zur Verfügung stehen.
    Wir beraten dazu, welche Möglichkeiten es gibt, auch wenn auf den ersten Blick kein BAföG-Anspruch besteht, oder auch, wenn die Eltern nicht die notwendigen Informationen zur Verfügung stellen können.

    Hat sich denn seit den BAföG-Anfängen viel für Ihr Team und Ihre Arbeit verändert?
    Oh ja - zum einen wurde die Antragsbearbeitung anspruchsvoller. Es gibt kaum Fälle, die ganz glatt zu prüfen sind, weil die Biografien der Studierenden bunter geworden sind.
    Und dann veränderte die zunehmende Digitalisierung unsere Arbeit deutlich. Früher gab es zum Beispiel noch sogenannte Erfassungsbelege, die mit der Hand ausgefüllt und von einem Kurierdienst nach Wiesbaden transportiert werden mussten. Mitte der Neunziger wurde dann eine Software eingeführt, die zumindest eine teilweise digitale Antragsbearbeitung ermöglichte. Aber wir bekamen die Bescheide für einen kompletten Monat als riesigen Papierberg, den wir sortieren und auf Fehler sichten mussten. Erst danach konnten wir die Bescheide verschicken.

    Und heute sind die Papierberge Geschichte?
    Zumindest sind sie nicht mehr so hoch wie damals. Seit 2012 arbeiten wir in Hessen mit einer Software, mit der wir die Bescheide direkt nach der Antragsbearbeitung versenden können. Wir arbeiten aber immer noch mit viel Papier. Aktuell ist es so, dass die Anträge zwar online gestellt werden, wir aber noch keine digitale Akte haben, sodass wir die Anträge und Unterlagen dann doch noch ausdrucken müssen. Aber auch in dieser Hinsicht wird es in den nächsten Jahren bestimmt weitere Fortschritte geben.

    Wenn Sie das ideale Förderinstrument für Studierende und für den beruflichen Aufstieg basteln könnten, was wäre das wichtigste Bauteil?
    Sowohl BAföG und AFBG müssen regelmäßig angepasst werden und verlässlich sein. Schon bevor das Studium oder die Fortbildung begonnen wird, sollte klar sein, mit welchem monatlichen Betrag die Antragstellenden rechnen können. Wer auf eigenen Beinen stehen und ein Studium oder eine Fortbildung beginnen will, muss wissen, wie viel Geld für die Dauer des Studiums oder der Fortbildung gezahlt wird. Und zwar erst recht, wenn die Familie nicht einspringen kann.
    Das BAföG muss sich weiterentwickeln: Das Deutsche Studentenwerk fordert: „Das BAföG an die Lebens- und Studienrealität anpassen, die Förderungshöchstdauer nicht mehr an die Regelstudienzeit koppeln, Altersgrenzen weg, Förderung in Richtung Vollzuschuss“. Mit diesen Forderungen kann ich mich identifizieren.
    Und es sollte mehr Leichtigkeit in die Antragstellung kommen. Am besten wäre es aber natürlich, wenn die Antragstellung sogar Spaß machen würde!

    Und wie sieht es mit dem Spaß bei der Arbeit aus?
    Wenn Sie das Team fragen würden, würden alle sagen, dass ihnen die Arbeit Spaß macht. Das ist richtig gut! Und das, obwohl die Arbeitsbelastung schon hoch ist. Da ist es ganz wichtig, dass die Freude an der Arbeit auch bleibt. Damit verbunden ist natürlich, dass unsere Arbeit ausreichend finanziert sein muss.

     

      Zahlen

      Das BAföG- und AFBG-Team

      • Insgesamt 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Sachbearbeitung, Sekretariat, Team- und Abteilungsleitung

      Anträge 2020

      • BAföG - 4.798 bearbeitete Anträge, 4.249 Geförderte
      • AFBG - 2005 bearbeitete Anträge, 2.217 Geförderte

      Drei Fragen an: Gabrijela Barzinmehr-Franic

      Welches ist Ihr schönster Moment bei Ihrer BAföG-Arbeit gewesen?
      Schöne Momente gab es in den letzten Jahren viele, sodass ich mich ungern auf einen bestimmten festlegen möchte. Ich freue mich immer wieder mit den Studierenden, wenn es nach einem zu Beginn förderrechtlich schwierigen Fall am Ende doch mit der BAföG-Förderung klappt. Oft sind es nicht nur Studierende, die sich freuen, sondern auch Eltern, die unter massivem Druck stehen, dem Kind ein Studium zu ermöglichen, aber finanziell an ihre Grenzen kommen. Hier gibt es im BAföG mehrere Wege, den Druck von den Eltern zu nehmen und den Studierenden Ausbildungsförderung nach dem BAföG zu bewilligen.
      Aber auch andersherum gibt es Wege und Möglichkeiten, die Eltern zur Zahlung des Unterhalts heranzuziehen. In Fällen, in denen Eltern oder Elternteile sich weigern, mitzuwirken oder den angerechneten Betrag an die Studierenden zu zahlen, können wir auf Antrag in Vorausleistung gehen und fungieren dann quasi als „Unterhaltsvorschussstelle“. Wir machen dann im Nachgang den Unterhalt bei den Eltern geltend. Die Studierenden können sich auf ihr Studium konzentrieren und müssen nicht Angst haben, dass die monatlichen Zahlungen wegbrechen.
      Eine besondere Herzensangelegenheit von mir ist die BAföG-Beratung internationaler und geflüchteter Studierender. Insbesondere geflüchtete Studierende haben einen langen Weg hinter sich: angefangen mit dem Abbruch ihres Studiums im Heimatland, der Flucht nach Deutschland verbunden mit der Anerkennung ihrer bislang erbrachten Studienleistungen, dem Deutschkurs und der Immatrikulation an der Universität Kassel. Wenn dann am Ende das Studium möglich ist, ist für diese Studierenden oftmals die größte Hürde noch die Sicherstellung des Lebensunterhalts. Und an dieser Stelle kommt das BAföG ins Spiel: Wir ermöglichen den Studierenden die staatliche Förderung und ebnen damit auch den Weg zu einem erfolgreichen Abschluss.

      Kennen Sie eigentlich alle Antworten auf die Fragen „Ihrer“ Studierenden oder müssen Sie auch manchmal im Gesetz nachlesen?
      Die Frage, wie hoch der Bedarfssatz ist und wie viel ein Studierender dazuverdienen darf, kriege ich auch ohne den Gesetzestext hin. Bei komplexeren und seltenen Fallkonstellationen hilft häufig nur ein Blick ins Gesetz. Es ist aber nicht nur das Bundesausbildungsförderungsgesetz, das für uns maßgeblich ist. Neben dem BAföG gibt es noch eine Vielzahl von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften, Verordnungen und Erlassen, die für uns bindend sind. Wir haben selbstverständlich auch die aktuelle Rechtsprechung im Blick und beobachten die Entwicklung. Das macht die Arbeit natürlich oftmals schwieriger, aber zeitgleich auch spannend.

      Was wünschen Sie sich für die BAföG-Studierenden der Zukunft?
      Ich wünsche mir, dass das BAföG künftig lebensnäher, flexibler und breiter auf die Lebenswirklichkeit der Studierenden eingeht. Es ist an der Zeit, dass bestimmte – aus meiner Sicht verstaubte – Punkte aufgegriffen werden. Der Wegfall der Altersgrenze und die Ermöglichung einer „Teilförderung“ für Teilzeitstudierende sind zwei Punkte, die ich wichtig und lebensnah finden würde. Auch sollte zumindest ein einmaliger Wechsel im Masterstudium möglich sein, ohne dass der Förderanspruch komplett entfällt. Etwaige Einkommens- und Vermögensgrenzen müssen so bemessen sein, dass nicht nur ein kleiner Teil der Studierenden davon partizipieren kann. Die Förderquote wird von Jahr zu Jahr geringer, obwohl der Bedarf da ist und auch weiterhin da sein wird. Das passiert, wenn man über Jahrzehnte nur kleine Stellschrauben dreht, das große Ganze aber aus dem Blick verliert. Ich wünsche mir eine grundlegende BAföG-Reform, die jetzigen und künftigen Studierenden eine sorgenfreiere Studienzeit ermöglicht.

      "Chancen suchen und ergreifen"

      Christa Ambrosius ist seit dem 1. Juli 2021 neue Geschäftsführerin des Studierendenwerks Kassel. In den Jahren 1983 bis 1989 studierte sie Politikwissenschaft und Volkswirtschaft in Marburg und Hamburg. Ihr Studium finanzierte sie zunächst mit BAföG und später durch ein Stipendium.

      Frau Ambrosius, wie war das bei Ihnen mit dem BAföG?
      Ich stellte sofort zur Einschreibung an der Universität einen BAföG-Antrag und war für diese Grundfinanzierung sehr dankbar. Meine Eltern haben mich und meine vier Geschwister auch immer finanziell unterstützt, wir haben alle studiert – da war das BAföG schon eine enorme Entlastung für meine Eltern. Neben dem Studium habe ich auch noch gejobbt.

      Hatten Sie zunächst Hemmungen, einen BAföG-Antrag zu stellen?
      Eigentlich nicht. Das BAföG war zur damaligen Zeit noch ein Volldarlehen und musste nach dem Studium in einer bestimmten Zeit vollständig zurückgezahlt werden. Zum Glück gab es dann die Möglichkeit, durch gute Noten und Einhalten der Regelstudienzeit einen Großteil der Schulden erlassen zu bekommen. Die heutige Regelung mit einem Teildarlehen für alle BAföG-Empfängerinnen und -Empfänger finde ich viel ansprechender.

      Und der Papierkram?
      (lacht) Der war dann doch gar nicht so schlimm wie befürchtet und hat sich allemal gelohnt. Ich habe das einfach als Investition in meine berufliche Zukunft gesehen - und wie man sieht, es hat sich rentiert.

      Was raten Sie Studierenden heute im Hinblick auf die Studienfinanzierung?
      Nicht abschrecken lassen! Weder von Schulden und Formularen noch von der finanziellen Situation der Eltern. Es lohnt sich immer, einen BAföG-Antrag zu stellen und bei den Beraterinnen und Beratern den individuell besten Finanzierungsmix auszuloten. Neben dem BAföG gibt es ja noch andere Finanzierungsmöglichkeiten, die vor allem für internationale Studierende und Quereinsteiger interessant sind – wie Stipendien oder Studienkredite. Auch wenn man selbst im Ausland studieren möchte, gibt es da ja heute gute Finanzierungsmöglichkeiten, auf die ich damals auch gern zurückgegriffen hätte.
      Also, mein Motto ist: Chancen suchen und ergreifen, mutig den eigenen Weg gehen.   

       

      Hinter den Kulissen des BAföG-Amts

      Was passiert eigentlich mit den Anträgen, wenn sie erst mal gestellt wurden? Unser Team erklärt es im Video und macht ganz nebenbei allen Studierenden Mut zum Antrag.

      Drei Fragen an: Andreas Jähn, AFBG-Berater

      Sie sind mit Herz und Fachverstand AFBG-Berater - warum ist Ihnen das so wichtig?
      Das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz ist ein großartiges Instrument. Es sorgt dafür, dass hochmotivierte Menschen, die sich ansonsten eine Weiterbildung nicht leisten könnten, ihren Weg gehen. Sie bekommen finanzielle Sicherheit für ihre Qualifizierung - wie das BAföG bei den Studierenden trägt das Aufstiegs-BAföG zur sozialen Gerechtigkeit bei nichtakademischen Berufen bei. In meinen Beratungsgesprächen erlebe ich immer wieder die Begeisterung der Antragstellenden. Und die steckt auch mich an.

      Kämpfen Sie eigentlich auch manchmal mit den Formularen?
      Und ob. Ich bin selbst Seiteneinsteiger und muss oft noch Details nachlesen. Die einzelnen Bestimmungen sind je nach Ausbildung ganz unterschiedlich. Ich lerne wirklich jeden Tag dazu, damit ich die Antragstellenden bestmöglich beraten und unterstützen kann.

      Haben Sie einen Tipp für Ihre AFBG-Aufsteigerinnen und -Aufsteiger?
      Die besten Tipps, die ich geben kann: Stellen Sie Ihren Antrag so früh wie möglich - dann haben wir gemeinsam Zeit genug, noch offene Fragen zu klären. Lesen Sie sich die Formblätter wirklich aufmerksam und sorgfältig durch. Nur so entdecken Sie beizeiten, welche Unterlagen Sie für den Antrag brauchen und können die schon im Voraus zusammenstellen. Und wenn der Antrag von Anfang an komplett ist, ist das Geld danach auch schneller auf dem Konto...